
Mit dem Polestar 2 lanciert Volvos Elektro-Ableger sein zweites Modell. Noch vor seiner Markteinführung fuhr sich dieses in die Herzen der hiesigen Fachjury und somit auf das oberste Treppchen des «Schweizer Auto des Jahres 2021». AutoScout24 hat den Sieger bereits getestet.
Innovationsfreunden mit grossem Umwelt- und Preis-Leistungs-Bewusstsein sowie der Fachjury von «Schweizer Auto des Jahres». Denn: Der ab 57'900 Franken erhältliche Polestar 2 fuhr auf den 1. Platz der hiesigen Auto-Charts 2021.
Da steht er nun: der Polestar 2. Während sein Vorgänger, ein Plug-in-Hybrid-Fahrzeug mit einem Basispreis jenseits der 100'000 Franken-Grenze, nur für gutbetuchte Avantgardisten angedacht war, soll das aktuelle Modell den E-Markt aufmischen und für die breite Masse erschwinglich sein. Klingt wie die Story eines Mitbewerbers aus Kalifornien? Ja, zumindest ähnlich. Und zugegeben: Es fällt schwer, nicht ständig Parallelen zum Tesla Model 3 zu ziehen.
Trotzdem beginnen wir mit dem markantesten Unterschied: dem Design. Der Polestar 2 hat Ecken und Kanten – und diese sind bewusst gewählt. Zwar «flutscht» unser Testwagen nicht so geschmeidig durch den Windkanal wie sein an allen Enden abgerundeter Hauptkonkurrent, dafür sieht er nicht wie eine «Verzichtserklärung des guten Geschmacks» aus. “Dezent sportlich” wäre eine passende Beschreibung. Ersteres gewichtet jedoch mehr. So ist zum Beispiel das Logo, ein Polarstern, in Wagenfarbe gehalten - wobei es eigentlich nur eine Farbe gibt: dunkelblau. Die weiteren fünf Lackierungsmöglichkeiten sind Helligkeitsstufen zwischen Schwarz und Weiss.
Seinen schwedischen Ursprung sieht man unserem Testwagen dank der Thor-Hammer-Lichtsignatur von Weitem an. Öffnet man die Motorhaube, wird’s noch deutlicher: Im Polestar 2 steckt der gleiche Antrieb wie im Volvo XC40 Recharge Pure Electric. Heisst: zwei Elektromotoren mit je 204 PS und eine Batterie mit 78 kWh Kapazität. So schafft der zweite Polarstern Sprints aus dem Stand auf Tempo 100 innert 4,7 Sekunden und eine Reichweite von 470 Kilometern (WLTP). Zumindest theoretisch. Okay, mit -5 Grad Celsius und vielen Autobahnkilometern befinden wir uns nicht in seiner Wohlfühlzone. Da die Reichweite aber auf 280 Km zusammenfällt, eröffnet sich uns ein Spiessroutenlauf von Stecker zu Stecker.
Wird man fündig, lädt man den Polestar 2 über einen CCS-Anschluss hinten links. Dieser ist für das Laden mit bis zu 150 kW DC ausgelegt – im Vergleich mit der Konkurrenz liegt die DC-Ladeleistung deutlich über dem Durchschnitt. Der Ladevorgang von 5 auf 80 Prozent erfolgt in lediglich 40 Minuten. Für das AC-Laden Zuhause, im Geschäft oder an öffentlichen Wechselstromladesäulen verfügt die 4,61 Meter lange E-Limousine über einen dreiphasigen 11-kW-Onboard-Charger. Damit benötigt dieselbe Ladung ca. 7 Stunden.
Angezeigt wird der Ladezustand, von aussen gut sichtbar, im Instrumentendisplay. Dieses publiziert während der Fahrt die Geschwindigkeit, Reichweite und Navi-Karte. In der Mitte des Cockpits steht ein senkrecht angeordnetes 11,5-Zoll-Touchscreen-Display. Die Bildschirme und Kartenbilder sind ansehnlicher als bei den «alten» Schweden, aber nicht so imponierend wie z.B. jene 3D-Google-Earth-Ansicht des Touaregs – mit schneebedeckten Berggipfeln im Gebirge. Realisierbar wären solche Goodies sicherlich, zumal der Polestar 2 als erstes Auto mit Android-Betriebssystem vorfährt. Laut Hersteller bringe eine solche 3D-Ansicht bei der Navigation jedoch keine Vorteile, im Gegenteil, sie lenke ab. Das schwedische Sicherheitsdenken hat sich die junge Marke also bewahrt.
Auch die Einfachheit der Fahrzeugbedienung zielt in Richtung Norden. Und einfach bedienbar ist der Polestar 2 tatsächlich. Sogar auf einen Start-/Stoppknopf wurde verzichtet. Also Einsteigen, Automatikhebel auf «D» stellen und los geht’s. Auch sonst stösst man im Wageninneren kaum auf Tasten und Knöpfe, die meisten Funktionen sind über das Display bedienbar. So auch die Klimaanlage oder die Stärke der Rekuperation. Apropos Rekuperation: Gefühlt setzt Polestar ganz auf One-Pedal-Driving. In der Standardeinstellung (max. Rekuperation, Kriechgang off) kommt man fast immer ohne Bremspedal aus. Nach einigen Kilometern gelingen sogar akzeptable Ampelstopps – das gefällt.
Unser Testwagen scheint ein klassisches Montags-Fahrzeug zu sein. Nicht nur die Ladekapazität fällt temperaturbedingt in sich zusammen, auch das von allen Seiten gelobte Google-Betriebssystem bleibt aufgrund fehlender Onlineanbindung grösstenteils stumm.
Der geräuschlose Antritt mit seinen 408 PS und 660 Nm sorgt für Fahrspass und überzeugt - nicht zuletzt dank dem Allradantrieb. Auch die Gestaltung des Innenraums ist ansprechend. Vom veganen Sitzbezug über das lange Panoramaglasdach bis hin zur Holzverkleidung im Cockpit wirkt alles stimmig. Dazu passt auch die gute Verarbeitung. Der grösste Pluspunkt ist jedoch der Preis. Selten erhielt man für 57'900 Franken so viel E-Auto.